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Rechtsextremismus und Rechtsextremismus-Prävention

Politischer Extremismus und extremistische Einstellungen sind zentrale Gegenstände politikwissenschaftlicher Forschung und herausfordernde Problemstellungen politischer Bildungsarbeit – oder sollten es zumindest sein. Denn politischer Extremismus stellt die jeweils existierende gesellschaftliche und politische Ordnung infrage, innerhalb derer er existiert. Als extrem gelten in
diesem relationalen Verständnis diejenigen AkteurInnen, deren Ansichten, Einstellungen, Handlungen, Ziele und Methoden von der Mehrheit der Gesellschaft nicht geteilt werden (vgl. Breton et al., 2002, S. xi).

Wendet man dies konkret auf demokratisch verfasste Gesellschaften wie Deutschland an, sind ExtremistInnen diejenigen politischen AkteurInnen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mit den darin verankerten Normen der Menschenrechte, des Pluralismus und der Gewaltenkontrolle verstoßen, sie infrage stellen oder abschaffen wollen (vgl. Jaschke, 2001, S. 25; Jesse, 2018, S. 31 f.).

Rechtsextremismus als Ideologie der Ungleichheit und Ungleichwertigkeit verbunden mit einer dezidierten Gewaltaffinität (vgl. Heitmeyer et al., 1992) ist eine Erscheinungsform des politischen Extremismus, die gerade auch vor dem historischen Hintergrund des Nationalsozialismus in Deutschland von besonders kritischer Bedeutung ist.

Zusammen mit Gudrun Heinrich werde ich in unserem Beitrag zum Band “Politikwissenschaft trifft Politikdidaktik” ausgehend von einer Darstellung der wissenschaftlichen Begriffsbildung und der Entwicklungslinien der Rechtsextremismusforschung die Relevanz des Themas Rechtsextremismus für die LehrerInnenbildung diskutieren. Neben den besonderen Herausforderungen des Auftretens rechtsextremer Einstellungen bei LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen gleichermaßen, der langfristigen Perspektive politischer Bildung und der Themenauswahl werden mögliche Inhalte der akademischen LehrerInnenbildung kritisch reflektiert. Abschließend diskutieren wir ausgewählte Herausforderungen und Perspektiven für Fachdidaktik und politische Bildung im Themenfeld Rechtsextremismus.

Frankenberger, Rolf und Gudrun Heinrich (2022): Rechtsextremismus und Rechtsextremismus-Prävention. In: Hans-Jürgen Bieling, Benjamin Ewert, Michael Haus, Monika Oberle und Alexander Wohnig (Hrsg.): Politikwissenschaft trifft Politikdidaktik. Wiesbaden: Springer, pp. 47-58.

Systemtransformation und Extremismus

„What conditions make democracy possible and what conditions make it thrive?“[1] Mit dieser Frage umreißt Dankwart A. Rustow 1970 das Forschungsprogramm einer der wichtigsten Strömungen der modernen politikwissenschaftlichen Transformationsforschung. Extremismus als „Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaats“[2] ist demzufolge einer der zentralen Faktoren, die zum Wandel oder Zusammenbruch von Demokratien führen können. Trotz dieser auch in der Transformationsliteratur reflektierten Zusammenhänge haben sich Transformations- und Extremismusforschung in den letzten vierzig Jahren weitgehend getrennt voneinander entwickelt und ausdifferenziert. Während die Transformationsforschung den Schwerpunkt auf Transformationsprozesse, -strukturen sowie -akteure legt und Extremismen wie Extremisten nur als eine mögliche Ursache für die Veränderung politischer Systeme betrachtet, untersucht die Extremismusforschung bestimmte politische Strukturen, deren ideologische Ausgestaltung, Ursachen und Akteure. Dies geschieht häufig mit Blick auf die Bedrohung der Demokratie, ohne dass dabei systematisch die Prozesse der Systemtransformation beleuchtet werden.

Die Potentiale einer stärkeren Vernetzung der beiden Forschungsstränge und die Rolle von Extremismen bei der Transformation von politischen Systemen aufzuzeigen, ist Ziel meines neuen Beitrags, der soeben im Buch Extremismusforschung erschienen ist. In einem ersten Schritt werden dazu grundlegende Herangehensweisen beider Forschungsbereiche über den Gegensatz normativer und relationaler Begriffsbildung aufgezeigt. In einem zweiten Schritt stehen Grundbegriffe und Konzepte der Transformationsforschung im Vordergrund, bevor sodann – drittens – zentrale Ansätze und Befunde der klassischen und neueren Forschung zur Systemtransformation einschließlich jeweiliger Anknüpfungspunkte und inhaltlicher Überschneidungen mit der Extremismusforschung Aufmerksamkeit erhalten. Besonderes Potential erzielen Ansätze, die sich mit der Rolle von individuellen und kollektiven Akteuren beschäftigen, weshalb diese gesondert berücksichtigt werden. Darauf folgt ein empirischer Überblick über Transformationen seit 1946 und die Potentiale systematisch vergleichender Forschung für die Analyse des Zusammenhangs von Systemwechseln und Extremismus. Abschließend werden Entwicklungspotentiale kritisch diskutiert und grundlegende Mechanismen der Systemtransformation zusammengefasst.

Rolf Frankenberger (2018): Systemtransformation und Extremismus. In: Eckard Jesse / Tom Mannewitz (Hrsg.): Extremismusforschung. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Baden-Baden: Nomos, S. 513-546

[1] Dankwart A. Rustow, Transitions to Democracy. Toward a dynamic model, in: Comparative Politics 2 (1970), H. 3, S. 337.

[2] Uwe Backes/Eckhard Jesse, Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1993, S. 40.

 

 

 

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